Brot und Nahrung

19 Themenbilder erzählen von sozial, kultur-, technikgeschichtliche Zusammenhängen rund um Landwirtschaft, Ernährung und Brot. „Brot” wird dabei zum Brennglas unseres Blicks: Brot und Hunger sind eng mit der Menschheitsgeschichte verbunden. Die Frage nach Nahrung für alle Menschen ist aber auch eine globale Herausforderung der Gegenwart und Zukunft. Bei der Betrachtung von Brot und Nahrung wird unsere Kultur und Gesellschaft ein stückweit verständlicher.

Brot: Kulturelle Perspektiven

Übersicht 1. OG Brot: kulturelle Perspektiven

Übersicht 1. OG Brot: kulturelle Perspektiven

Ist Brot nicht ein Wunder?

Brot ist die erste Speise, die nur durch Zubereitung entsteht.
Es ist ein Kunstprodukt, eine Erfindung, von der man, bevor es sie gegeben hat, nicht wissen konnte, dass es sie jemals geben wird.
Alles schmeckt ja besser als die Körner von Gräsern. Sie sind zwar nahrhaft, aber hart und ohne viel Geschmack und müssen erst zerrieben, zerstampft, zermahlen werden. Mit Wasser werden sie weicher, aber nicht viel schmackhafter. Erst die unsichtbaren Arbeiter aus der Luft, die Hefezellen, beginnen das Produkt zu verwandeln: Der feuchte Körnerbrei wirft Blasen. Und wenn er dann in die Glut gelegt wird, bräunt sich seine Kruste und das Ganze beginnt zu duften, wie nur Brot das kann.

Brot machen

Viele Arbeitsschritte und drei Schauplätze sind nötig, um Brot herzustellen:
Auf dem Acker muss gepflügt, gesät, gedüngt und geerntet und gedroschen werden. Dann werden die Körner in die Mühle transportiert und gemahlen. Das Mehl wird zum Bäcker gebracht, da wird es mit Wasser, Hefe und Salz geknetet und geformt. Von der Backstube wird das Brot in den Laden gefahren, hier wird es ausgelegt und verkauft. Erst dann kann man es aufschneiden und essen.
Die Art und Weise, wie diese Handlungen ausgeführt werden, unterscheidet sich durch die Zeiten. Immer aber sind viele Menschen beteiligt und für jede Handlung sind Werkzeuge nötig. Alles das erfordert eine gewaltige Organisation. Das Herstellen und Essen von Brot organisiert Gesellschaft.

Die gemeinsame Geschichte von Mensch, Kunst und Getreide

Das Anbauen von Getreide hat die Menschen, die vorher Jahrtausende lang als Wildbeuter herumgezogen waren, dazu bewogen, an einem Ort zu bleiben, sesshaft zu werden. Alles hat sich dadurch verändert: Eigentum und Hierarchien entstanden, Berufe und Städte, kurz die Welt, wie wir sie kennen. Dass Getreide zur Existenzgrundlage wurde, hat seitdem alle Formen des Denkens und der Kultur geprägt.
Doch nicht nur das Getreide hat den Menschen verändert. Genauso hat der Mensch Getreide geformt, es über die Welt verbreitet, gezüchtet und manipuliert. Mensch und Getreide bilden eine Schicksalsgemeinschaft.

Luft lebt: Hefe

Lange wusste man nur, dass es Hefe gibt und wie sie wirkt, aber nicht, was Hefe ist: nämlich Lebewesen mit einem Stoffwechsel. An der Luft produzieren sie CO2, unter Wasser Alkohol.
Antoni van Leeuwenhoek (1632-1723) beobachtete sie als erster unter seinem selbst hergestellten, hervorragenden Mikroskop. Louis Pasteur (1822-1895), der die Welt der Mikroorganismen erforschte, erkannte, dass Hefe lebt. Und Ignaz Mautner (1801-1889) ließ sie sich schließlich unter industriellen Bedingungen reproduzieren, presste sie in Würfel und begründete damit ein wirtschaftlich bedeutendes Firmenimperium.

Getreidespeicher: die ersten Bauwerke

Speichergebäude erzählen Geschichten vom Aufbewahren von Getreide, von Logistik, Verwaltung, Reichtum und Macht. Fünf Speicher sind exemplarisch als Modelle nachgebaut: Der erste Speicher, den wir überhaupt kennen, stammt aus Dhra im heutigen Jordanien und wurde gebaut, bevor Menschen sesshaft waren. Es folgt eine alt-ägyptische Speicheranlage, hier kommt eine Schreiberloge hinzu. Das dritte Modell zeigt den Salzstadel (1595): das Museumsgebäude, ein reichsstädtischer Speicher, gefüllt durch die Bauern vor den Toren der Stadt. Der nordamerikanische Great Northern (1897) ist an Eisenbahn und Schiffsverkehr angebunden. Und die moderne Schapfenmühle (2005) bei Ulm ist schließlich ebenso hoch wie der Northern lang ist.

Mutterkorn: Der Teufel im Brot

Mutterkorn ist ein giftiger Pilz, der sich vor allem an Roggen andockt und wie ein schwarzes Korn aussieht. In früheren Zeiten wurde er oft mit gemahlen und gegessen, und führte zu Halluzinationen, höllischen Schmerzen, abfaulenden Gliedern, und sogar zum Tod.
Eine Bruderschaft unter dem Namen des Einsiedlers Antonius pflegte die daran Erkrankten. Die Brüder sahen in den Symptomen das Wirken des Teufels. Weißes, reines Brot gehörte zu ihren Heilmitteln. Im 20. Jh. nahm sich die Wissenschaft des Mutterkorns an. Albert Hofmann experimentierte für Sandoz damit - und fand das LSD. Fünf Personen erzählen aus unterschiedlichen Perspektiven über den toxischen Pilz.

Berufe machen Leute: Bauern, Müller und Bäcker in Bildern

Wie wurden und werden sie gesehen, die Arbeiter im Produktionsprozess?
Bilder aus unterschiedlichen Zeiten erzählen uns davon: Über den Bauern gibt es besonders viel Material, viele Zuschreibungen und Klischees. Im 19. Jh. wird der Bauer zum Verteidiger des Bodens. Der Müller ist ein Techniker, seine Mühle die erste große Maschine, doch im 19. Jh. hat sie ausgedient und wird sie zum romantischen Motiv. Der Bäcker hat zwei sehr unterschiedliche Aufgaben, er bedient die Backstube und den Verkauf.

Hand und Maschine

Was ist besser, Brot, das ganz von Hand gemacht ist, oder dessen Teig maschinell geknetet wurde? Diese Frage beschäftigte Bäcker und Konsumenten schon im 18. Jh. Da nämlich kamen die ersten Knetmaschinen auf den Markt. An der Jahrhundertwende zum 20. Jh. schien es klar zu sein: Die Maschine ist menschenfreundlich und macht das Brot bezahlbar. Heute werden nahezu alle Waren industriell produziert, und die Sehnsucht nach Handgemachtem, Individuellem wächst.

Landschaft und Landwirtschaft

Landschaft bedeutet uns Heimat, Natur, Freizeit und Freiheit. Gern vergessen wir, dass Landschaft ebenso ein Nutzraum ist, von Menschen gestaltet und bewirtschaftet, als existentielle Basis unserer Gefühlswelten.
In diesem Themenbild schauen wir von oben auf Land(schafts)karten, von der Wandererbank auf künstlerische Landschaften, und mit Bauer Unseld darauf, was auf seinen Feldern wächst, und warum.

Brot und Stühle: Wenn die Form zur Frage wird

Während Brote jahrhundertelang immer gleich aussahen – nämlich so, wie es an dem jeweiligen Ort Tradition hatte – war die Form ab dem 19. Jh. nicht länger festgelegt.
Sollten die Dinge die neue – industrielle – Produktionslogik demonstrieren oder frühere Formen nachbilden? Auf allen Gebieten wurde das Erscheinungsbild diskutiert. Muss Brot traditionell und althergebracht wirken? Sind Stühle Objekte der sich wandelnden Vorlieben und müssen darum immer wieder anders aussehen? Beide jedenfalls – Brot und Stühle – werden mithilfe von Maschinen gefertigt und müssen Formen haben, die den Konsumenten gefallen.

Nahrung: Globale Perspektiven

Übersicht 2. OG Nahrung: globale Perspektiven

Übersicht 2. OG Nahrung: globale Perspektiven

Die Explosion eines Vulkans

1816/17 erlebte Württemberg ein „Jahr ohne Sommer“ und als Folge eine schreckliche Hungersnot. Das junge Herrscherpaar Wilhelm und Katharina ergriff etliche Maßnahmen, um den Menschen nicht nur akut zu helfen, sondern um das Land mittelfristig zu modernisieren. Dass die Explosion eines Vulkans in Indonesien die Wetterkatastrophe ausgelöste hatte, ahnte damals niemand. Aus anderen Gründen faszinierten Vulkane die Zeitgenossen, die sich fragten: Ist unter der Erde Feuer? Und haben Vulkane die Berge entstehen lassen? Auch das Wetter begann man zu studieren, mit dem Ziel, diesem irgendwann einmal nicht mehr so hilflos ausgeliefert zu sein.

Sprengkräfte

Im 18./19. Jh. wurden an drei Schauplätzen – an der Werkbank, im Labor und am Schreibtisch – Techniken erfunden, wissenschaftliche Kenntnisse gesammelt und Ökonomien entwickelt, die die Versorgung tiefgreifend verändern sollten.
Aus den ersten Dampfmaschinen, die die Industrie beschleunigten, wurde die Eisenbahn, die Personen und Güter über weite Strecken bewegte. Aus Experimenten mit Pflanzen wurden Düngemittel, die Wachstum und Erträge vermehrten. Alle drei Schauplätze sind miteinander verbunden. Vorgestellt werden u.a. James Watt und George Stephenson, Justus Liebig und Fritz Haber, Friedrich List – und als einzige Frau Clara Immerwahr.

Neue Lebensmittel und Marken

Im Lauf des 19. Jh. entwickelte die Industrielle Revolution ihre Dynamik. Viele Arbeitssuchende kamen vom Land in die Stadt und in die Fabriken. Früher waren sie Selbstversorger, jetzt mussten sie sich Nahrungsmittel kaufen. Am besten solche, die schnell zubereitet werden konnten, die haltbar und erschwinglich waren. Auch der Aspekt Gesundheit spielte eine große Rolle: So waren Schokolade und Cornflakes ursprünglich Gesundheitsprodukte. Vorgestellt werden fünf Firmen, die durch die industrielle Produktion groß wurden, und eine Reihe neuer Lebensmittel.

Kreisläufe

In der Agrargesellschaft war bzw. ist der Mensch eingebunden in die Tages- und Jahreszeiten, die Natur bestimmt die Arbeit, die Erträge und den Speiseplan. Aus Sonnenenergie kann Holz gewonnen werden. Damit ist eine überschaubare Reichweite vorgegeben.

Wachstum

Seit dem 19. Jh. sind wir weitgehend aus dem Kreislaufsystem ausgestiegen, und in eine lineare Wachstumskurve eingestiegen. Das Themenbild zeigt beide Modelle, dazwischen eine Erdkugel, von der es nur eine gibt.

Weltkarten: der Blick von oben

Wo wird das meiste Getreide produziert und wo konsumiert? Wo essen die Menschen besonders viel Brot? Wo sind sie statistisch am dicksten, und wo am glücklichsten? Es ist nicht nur spannend, über Weltkarten zu „reisen“. Es ist auch aufschlussreich und zeitgemäß: Um unsere global vernetzte Welt zu verstehen, müssen wir den Blick auf das Ganze werfen, auch wenn manche Einzelheiten dabei verschwinden.

Ressourcen: Wasser, Boden, Energie

Wasser, Boden und fossile Brennstoffe sind unendlich alt. Bisher waren sie einfach immer da und immer reichlich. Erst seit kurzer Zeit ist uns bewusst, dass die Mengen an Wasser, Boden und Kohle endlich sind und knapp werden können. Unser Verbrauch an diesen Ressourcen ist in den letzten 50 Jahren in die Höhe geschnellt.
An den drei „Spieltischen“ hier können Besucher schauen, wieviel virtuelles Wasser in welchem Produkt steckt, wieviel Kohle in ihrer Lebenszeit verbrannt wurde, und ausprobieren, was sie auf dem ihnen statistisch zustehenden Stück Land anbauen würden.

Hunger heute

Trotz Technik, Wissenschaft und Handel, trotz weltweiter Anstrengungen, dem Hunger zu entkommen, gibt es ihn immer noch über 800 Millionen Menschen auf der Welt, die hungern. Das müsste so nicht sein, denn es kann genug Nahrung für alle produziert werden. Wie fühlt es sich an, mit Hunger zu leben? Und wie ertragen wir es eigentlich, zu wissen, dass so viele Menschen hungern und manche sogar verhungern?
Die Künstlerin Silke Schwarz hat aus diesen Fragen eine berührende Audiocollage entwickelt.